Eine neue Methodik zur Messung umweltfreundlichen Verhaltens - Der «Carbon Emission Task»
Ein verhaltensökonomischer Blick auf das Thema Umweltpräferenzen.
08.06.2021, Ann-Kathrin Crede, Felix Wüthrich
Der menschengemachte Klimawandel ist eine der grössten aktuellen und zukünftigen Herausforderungen, die es politisch und gesellschaftlich zu meistern gilt. Bemühungen auf der ganzen Welt haben daher zum Ziel, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren und so den globalen Temperaturanstieg zu begrenzen. Infolge internationaler Abkommen, wie den Pariser Verträgen, sowie nationaler Klimapläne, werden umfangreiche Massnahmen zur Erreichung dieses Ziels ergriffen. In diesen Kontext fällt auch die eidgenössische Abstimmung über das revidierte CO2-Gesetz vom 13. Juni. Dieses sieht vor, dass der Treibhausgas-Ausstoss der Schweiz bis 2030 gegenüber dem Wert von 1990 halbiert wird und verstärkt die bereits bestehenden Massnahmen des heutigen CO2-Gesetzes, um dieses Ziel erreichen zu können (BAFU 2021).
Auf das Nachfrageverhalten kommt es an
Viele der Massnahmen zur Abmilderung des Klimawandels setzen auf der Angebotsseite an und wollen den Ausstoss von Treibhausgasen mit technologischen Innovationen reduzieren. Dabei spielt die Nachfrageseite eine mindestens genauso wichtige Rolle. So macht individueller Konsum ungefähr 60% der globalen Treibhausgase aus (Ivanova et al. 2016). Klimapolitik kann folglich nur dann erfolgreich sein, wenn menschliches Entscheidungsverhalten verstanden und miteinbezogen wird. Hierzu kann die Verhaltensökonomie einen Beitrag leisten.
Wie kann umweltfreundliches Entscheidungsverhalten gemessen werden?
Um das Verhalten von Konsumenten verstehen zu können, muss man ihre Präferenzen für Umweltschutz bzw. das Einsparen von Treibhausgasemissionen kennen. Eine weit verbreitete Methode sind Befragungen, in denen Studienteilnehmer angeben, wie sie sich in hypothetischen Szenarien verhalten würden («self-reports»). Dieser Ansatz bringt offensichtliche Probleme mit sich, etwa weil die Befragten sozial erwünschte Antworten geben, die Antworten keine echten Konsequenzen haben oder weil Intentionen und tatsächliches Verhalten häufig nicht übereinstimmen. Eine weitere Methode sind Feldstudien («randomized controlled trials», kurz RCTs). Diese haben gegenüber Befragungen zahlreiche Vorteile, etwa indem sie tatsächliches Verhalten in einer natürlichen Umgebung erfassen. Ein Nachteil hingegen ist, dass die Studienteilnehmer weniger gut beobachtet werden können und somit weniger Kontrolle über mögliche Einflussfaktoren auf ihre Entscheidungen besteht.
Der Carbon Emission Task
Um den Nachteilen der genannten Methoden zu begegnen, haben Forschende der Uni Bern ein neues experimentelles Tool entwickelt, um Umweltpräferenzen messen zu können: den sogenannten Carbon Emission Task (Berger & Wyss 2021). Der Task besteht aus 25 Entscheidungen zwischen zwei Optionen mit variierenden persönlichen Anreizen und Umweltfolgen. Wählen die Teilnehmenden Option A, bekommen sie Geld, verursachen dafür aber einen negativen externen Effekt in Form von CO2-Ausstoss. Wählen sie Option B, bekommen sie kein Geld und verursachen dafür auch keine CO2-Emission. Zentral für die Validität der Methode ist, dass die Entscheidungen der Studienteilnehmenden echte Konsequenzen mit sich bringen, d.h. eine der 25 Entscheidungen wird zufällig ausgewählt und umgesetzt. Dies bedeutet im Fall der Wahl von Option A, dass der Studienteilnehmer den entsprechenden Geldbetrag bekommt und ein entsprechender CO2-Ausstoss nicht vermieden wird und im Fall der Wahl von Option B, dass die Menge CO2 aus Option A eingespart wird, indem ein real existierendes CO2-Zertifikat über die entsprechende Menge dem Markt entzogen und vernichtet wird.
Die Durchführung des Carbon Emission Tasks mit mehr als 2000 Studienteilnehmenden hat gezeigt, dass je höher die erzielbare monetäre Auszahlung, desto eher wird Option A gewählt. Je grösser die mit Option A verbundene Externalität hingegen, desto eher wählen die Teilnehmenden die klimaneutrale Option B. Über alle 25 Entscheidungen hinweg ergeben sich somit folgende Muster: Umweltfreundliches Verhalten sinkt, wenn der Gewinn aus CO2-Emissionen grösser wird. Gleichermassen nimmt umweltfreundliches Verhalten zu, wenn die Umweltfolgen grösser werden.
Was lässt sich daraus ableiten?
Der Carbon Emission Task kann dabei helfen, die Umweltpräferenzen von Menschen besser zu verstehen und damit zukünftige Verhaltensmuster genauer vorauszusagen. Konkret kann untersucht werden, wie Konsumenten auf Preisänderungen und Veränderungen der Umweltschädlichkeit von verschiedenen Handlungsoptionen reagieren. Dies kann öffentliche und private Entscheidungsträger dabei unterstützen, Massnahmen zur Förderung umweltfreundlichen Verhaltens so zu gestalten, dass sie tatsächlich die erwünschte Wirkung erzielen.
Ein mögliches Anwendungsbeispiel: die freiwillige Kompensation von CO2-Emissionen
Eine mögliche Anwendung für den Carbon Emission Task ist die immer häufiger werdende Option für Kunden, beim Kauf einer Ware oder Dienstleistung die damit verbundenen CO2-Emissionen (oder zumindest einen Teil davon) gegen einen Aufpreis freiwillig zu kompensieren (NZZ). So können etwa Kunden des Onlinehändlers Zalando ihre CO2-Emissionen, die durch die Verpackung, Lieferung und allfällige Rücksendung entstehen, für CHF 0.30 pro Bestellung kompensieren. Dieses Geld fliesst in Projekte zur CO2-Reduktion in Ländern wie Kolumbien oder Panama. Ebenso können Flugreisende die durch ihren Flug verursachten Flugemissionen über die Schweizer Stiftung myclimate kompensieren.
Entscheidend für den Erfolg solcher Kompensationsmöglichkeiten ist es, die Reaktion der Konsumenten zu verstehen und voraussagen zu können. Der Carbon Emission Task bietet in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, die Ausgestaltung einer solchen CO2-Kompensation zu testen und zu skalieren. So kann evaluiert werden, wie preisempfindlich Kunden bei der Kompensation ihrer CO2-Emissionen tatsächlich sind.
Wirklich wirksame Massnahmen
Um die ambitionierten Ziele der lokalen, nationalen und internationalen Klimapläne erreichen zu können, ist es zentral, Massnahmen nicht nur zu konzipieren und zu verabschieden, sondern auch deren Wirksamkeit zu untersuchen. Denn wo eine Massnahme eingeführt wurde, kommt es nicht automatisch zu einer oder der gewünschten Verhaltensanpassung. Mithilfe von Experimenten (online, im Labor oder im Feld) lässt sich die Wirkung einer Massnahme testen, bevor sie breitflächig eingeführt wird. Der Carbon Emission Task kann hierbei einen wichtigen Beitrag leisten.
Quellen:
- Berger, S., & Wyss, A. M. (2021). Measuring pro-environmental behavior using the carbon emission task. Journal of Environmental Psychology, 75, 101613.
- Ivanova, D., Stadler, K., Steen‐Olsen, K., Wood, R., Vita, G., Tukker, A., & Hertwich, E. G. (2016). Environmental impact assessment of household consumption. Journal of Industrial Ecology, 20(3), 526-536.